Künstlerin, Mentorin, Mäzenin. Broncia Koller-Pinell lässt viele Zuschreibungen zu. Sie zählt heute, neben Tina Blau, Marie Egner und Helene Funke zu den wichtigsten Protagonistinnen der Malerei des frühen 20. Jahrhunderts. Ihre Karriere beginnt früh und rasant. Bereits ab 1890 stellt sie regelmäßig im Wiener Künstlerhaus aus, 1893 ist sie mit drei Bildern im Münchner Glaspalast und einem Werk bei der Weltausstellung in Chicago vertreten.
Vor allem ab 1907 ist sie wie kaum eine andere Künstlerin im Ausstellungsbetrieb der Wiener Moderne und der Kunstschaugruppe präsent.
Nach ihrem Studium in Wien und in München lebte Koller ab 1903 wieder in Wien. Die Kontakte zu den Künstlern der Wiener Secession und der Wiener Werkstätte intensivieren sich. Das Haus der Kollers in Oberwaltersdorf – von Hoffmann umgebaut und mit Arbeiten der Wiener Werkstätte ausgestattet – wird zu einem Zentrum der Künstlergesellschaft, wo Klimt, Anna und Alma Mahler, Josef Hoffmann, Egon Schiele, Lou Andreas Salomé, Kolo Moser, Rosa Mayreder u.v.a. verkehren.
Mit der Ausstellung ihrer Werke bei den Kunstschauen der Klimtgruppe (1908, 1909) hat Kollers Schaffen einen ersten Höhepunkt erreicht. Ihre Zusammenarbeit mit dem jungen Shootingstar Heinrich Schröder fällt in diese Zeit. Eine gemeinsame Ausstellung mit ihm fand in der Galerie Miethke 1911 in Wien statt und wurde u.a. von Bertha Zuckerkandl umfassend rezensiert.
An Koller-Pinell führte künstlerisch und gesellschaftlich kein Weg vorbei. Erst heute wissen wir, dass auch Schiele in seinem letzten Lebensjahr engsten Kontakt zu Broncia Koller-Pinell und ihrer Familie pflegte. 1918 porträtiert Schiele ihren Ehemann Dr. Hugo Koller (Sammlung Belvedere) und zeichnet ihre Kinder Rupert und Silvia Koller. Broncia malt das Ehepaar Schiele, das sich im August in Oberwaltersdorf erholt. Durch den frühen Tod Schieles konnte diese Zusammenarbeit leider nicht von Dauer sein. Gemeinsam mit ihm, Schröder und Gütersloh u.a. gründete Koller-Pinell 1918 den Sonderbund.
„Wir empfanden, dass Schiele ein Mensch war, der uns allen sehr nahestand, selbst Vater hatte eine aufrichtige Freude an ihm, die Idee des neuen Bundes wurde damals gerade wahr. [...] Er brachte Gütersloh zu uns, Faistauer war auch da, von uns Mutter, Schröder und ich. Es war ein kleines Festmahl, es wurde Schampus auf den neuen Bund getrunken. Die drei Freunde hatten am Nachmittag vorher die ersten Beschlüsse gefaßt, Mutter und Schröder waren Mitglieder, die darauffolgenden Wochen waren schön.“ Aus dem Tagebuch der Silvia Koller, Oktober 1918
In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre ist in ihrem Werk eine Auseinandersetzung mit der Neuen Sachlichkeit zu bemerken. Koller- Pinell experimentierte stets weiter und beeinflusste andere Maler wie eben Schröder, Schiele, Peschka bis weit in ihre 60er Jahre. 1934 verstirbt sie in Wien.
Broncia Koller-Pinell ist in der Elite des kunsthistorischen Kanons angekommen. Beeindruckende museale Anerkennung, zuletzt ein ganzer Raum bei der wegweisenden Ausstellung „Stadt der Frauen“ im Belvedere sowie die Aufnahme ihrer berühmten „Marietta“ in die Dauerausstellung des Leopold Museums gebühren ihr völlig zu Recht. 2024 findet die nur ihr gewidmete Ausstellung "Broncia Koller-Pinell. Eine Künstlerin und ihr Netzwerk" im Belvedere statt.